Freitag, 03. November 2023

EuropaAkademie

in Brüssel

Vom 3.-9. September 2023 nahmen 9 Schülerinnen unserer Schule auf Einladung des Bistums an der Euopaakademie in Brüssel teil. Die vom BdkJ organisierte Veranstaltung stand unter dem Thema:
Queer durch Europa: LGBTQIA+ Rechte in der EU

Während unserer Woche in Brüssel haben wir uns mit dem Thema: „Rechte von LGBTQ+ Menschen in der EU“ beschäftigt und im Zuge dessen, EU-Parlament, -Kommission und -Rat besucht und Gespräche mit Organisationen geführt.

Am Sonntag, dem 3. September starteten wir unsere Reise nach Brüssel früh morgens mit 9 Schüler*innen aus der Maria-Ward Schule in Landau. Mit einer Stunde Verspätung kamen wir zur Mittagszeit in Brüssel an und der freie Nachmittag wurde genutzt, um die Stadt zu erkunden und die ersten kulinarischen Ecken Brüssels auszuprobieren.

Der erste Abend mit der EuropaAkademie Gruppe verbrachten wir mit Kennenlernspielen, etwa einem Blindzeichnen, bei dem man der anderen Person ausschließlich ins Gesicht schauen darf, um sie zu zeichnen, aber nicht auf das eigene Blatt, einem leckeren Abendessen und der Vorbereitung der ersten vier Gesprächstermine.

Der nächste Morgen wurde mit einem Planspiel eröffnet, um die Abläufe der Europäischen Union besser verstehen zu können. Dabei wurde eine fiktive Situation, ob man eine Warnung als EU gegenüber einem Land aussprechen solle, wegen eines neu eingeführten „Kinderschutzgesetzes“, das Rechte von LGBTQ+ Menschen einschränke, diskutiert.
Nach einem stärkenden Mittagessen machten wir uns als Gruppe auf zum Parlamentarium, einem interaktiven Museum über die Geschichte der EU, und danach zur Friedrich-Ebert-Stiftung in der Nähe des Europaviertels in Brüssel und lernten dort im Gespräch mit Agnes Mach viel über die Arbeitsweise und Aufgabenbereiche der Stiftung, etwa Ungleichheiten aller Art abschaffen mit einem intersektionellem Ansatz.
Schon fertig vom Tag, aber trotzdem noch hoch motiviert. wurden nach dem Abendessen noch die letzten Gesprächstermine der Woche vorbereitet und die gemeinsame Gruppenenergie gestärkt.

Dienstags ging es früh raus, damit wir rechtzeitig im Büro von LYMEC für unseren Gesprächstermin anwesend waren. Das Akronym steht für „Liberal and Radical Youth Movement of the European Community“, also die Europäische Liberale Jugend bzw. ein Zusammenschluss liberaler Jugendverbände in Europa. Dort wurde uns vor allem erklärt, mit welchen Angeboten LYMEC junge liberale Menschen in der Politik in den EU-Mitgliedstaaten unterstützen kann. Zusätzlich wollen sie die Ideen von jungen Liberalen zu den Mitgliedern des Europäischen Parlaments bringen und somit als Brücke zwischen diesen dienen. In der Unterhaltung fiel auch unser persönliches Lieblingszitat der Woche: „Visibility comes before acceptance“ (Sichtbarkeit kommt vor Akzeptanz). Mit Bàlint Gyévai und seinem Kollegen haben wir zusätzlich noch über die aktuelle Situation von queeren Menschen in Ungarn, ihrem Heimatland, gesprochen, was besonders spannend war, da die beiden aus eigener Hand von ihren Erfahrungen erzählt haben.

Weiter ging es dann im Europäischen Rat bzw. dem Rat der EU, wo wir die Möglichkeit hatten Rebekka Wiemann, eine Mitarbeitende der Institution, mit Fragen zu löchern. Das Gespräch drehte sich vor allem um die anstehende Ratspräsidentschaft Ungarns und die Einstimmigkeit, die bei Entscheidungen zu den Themen wie Gleichberechtigung, Steuern, Außenpolitik, etc. im Rat notwendig sind. Länder wie Ungarn oder Polen haben also die Macht, Gesetze, die queeren Menschen helfen würden, zu blockieren.

Nachmittags stand unser Besuch in der EU-Kommission an. Erst gab es eine Einweisung in die Zuständigkeiten dieser und anschließend konnten wir uns mit Margherita Logrillo über „The LGBTIQ Equality Strategy 2020–2025“ der Kommission unterhalten. Diese Gleichberechtigungsstrategie soll als Richtlinie für die EU-Mitgliedsstaaten dienen, welche Gesetze sie innerhalb ihres Landes verändern könnten und sollten, aber alles nur auf Freiwilligenbasis. Richtlinien wie diese basieren zum Beispiel auf Umfragen, hier in diesem Fall die EU LGBTIQ Survey. Dieses Gespräch war sehr informativ, primär, weil es zum ersten Mal innerhalb der Woche explizit um LGBTQ+ Menschen ging. Besonders getroffen hat uns die aktuelle Lage für Regenbogenfamilien in der EU, da etwa nicht in allen Mitgliedsstaaten die Elternschaft von gleichgeschlechtlichen Paaren anerkannt wird (zum Weiterlesen: der Fall Baby Sara).

Nachdem das offizielle Programm des Tages zu Ende gegangen war, konnte man den Tag noch individuell ausklingen lassen, zum Beispiel in einer von Brüssels vielen RoofTop Bars.

Inzwischen ist schon der vierte Tag angebrochen und unsere Gruppe ist auf dem Weg zum Europaparlament um dort Terry Reintke von den Grünen, die früher Vorsitzende der LGBTI Intergroup war, zu treffen. Die Intergroup ist die aktuell größte im Parlament und besteht aus Abgeordneten aus allen EU-Mitgliedsländern. Ihr Ziel ist es interfraktionell gesetzliche Arbeit an der rechtlichen Situation von queeren Menschen zu vollbringen. Zudem wollen sie eine europäische Community durch Veranstaltungen und Konferenzen mit Austauschmöglichkeiten bilden.

Darauf waren wir bei Forbidden Colours zu Gast, die mit ihrer Arbeit eine Verbindung zwischen Demokratie und Rechten von LGBTQ+ Menschen erreichen wollen. Um das umzusetzen, unterstützen sie mit ihrem Fund Projekte von lokalen Partnern, die einen Fokus auf Europa setzen. Eins ihrer letzten finanzierten Projekte war etwa der Gleichstellungsplan für Schulen in Polen 2022: durch die durchgeführte Studie solle es jungen Menschen helfen, eine Schule wählen zu können, die möglichst akzeptierend und LGBTQ+-freundlich ist.

Nachmittags hatten wir eine Stadtführung von L-Tours, die Lesben- und Regenbogentouren und Veranstaltungen organisieren, um die Geschichte der Brüsseler LGBTQ+ -Community mit der Hilfe von queeren Menschen und Organisationen zu fördern und in die Welt zu tragen. Marian Lens, die unsere Führung leitete, ist selbst als Jugendliche in den 60ern vom Land vor der dortigen Lesbenfeindlichkeit geflüchtet und konnte zu allen Orten, die wir während der Tour besuchten, von ihren eigenen Erfahrungen erzählen. Zum Beispiel zu vielen ehemalige Lesbenbars, heutzutage gibt es im Gegensatz dazu nur noch eine Lesbenbar außerhalb des Stadtkerns, jedoch aber sehr viele Schwulenbars innerhalb des Stadtkerns, und dem „Rainbow-House“ (Regenbogenhaus), welches der Mittelpunkt für LGBTQ+ Organisationen und Veranstaltungen ist, wo sie auch selbst als Aktivistin tätig ist.

Als Tagesabschluss spielte ein Teil der Gruppe dann noch später ein paar Runden Werwolf, bei dem die Rolle „der freundliche Nachbar“ eingeführt wurde, dessen einzige Aufgabe es ist, nächtlich eine Person aus der Runde grüßen zu können.

Am letzten vollständigen Tag war unser erstes Gespräch das mit Égalité, einer 1993 gegründete Mitarbeiterorganisation der EU-Institutionen, die sich für Repräsentanz, gegen Diskriminierung und für einen toleranten und diversen Arbeitsplatz einsetzte. Die IT-Systeme in den Institutionen sind stark veraltet, weshalb eins ihrer Ziele auch ist, dieses inklusiver zu machen, damit in Zukunft die Möglichkeit besteht, nicht nur „Mann“ oder „Frau“ im System einzutragen und somit nichtbinäre* und intersex* Menschen zu inkludieren.

Anschließend waren wir zu Besuch im ARD-Studio Brüssel. Dort gab es eine Führung durch das Fernsehstudio, welches aus nur einem „Aufnahmeraum“ und einer Regie besteht und später noch die Chance Fragen an einen Radiomoderator zu stellen.

Nach einer langen und ausgiebigen Mittagspause konnten wir dann auch noch einen hochrangigen Politiker treffen, Marc Angel, der zurzeit Vize-Präsident des EU-Parlaments ist. Als neutraler Vorsitz leitet er Sitzungen im Parlament und arbeitet gemeinsam mit der Generaldirektion des Parlaments etwa zur Erneuerung von Gebäuden. Und trotz allem hat er sich im Gespräch nicht zurückgehalten mit dem Plaudern und uns auch seine besten Serienempfehlungen gegeben (Pose und Eldorado auf Netflix).

Den letzten Abend wurde als große Gruppe erst zusammen im Café Walvis und später auch noch in einer Karaoke Bar, oder auch in einem anderen Café in der Nähe der Karaoke Bar, für die, die ungern in lauten Räumen sind, verbracht.

Und so schneller war es dann auch schon Freitag und damit der Tag der Abreise gekommen. Nach dem morgendlichen Zimmerräumen und dem Frühstück kam es zur Abschlussreflexion, haben sich unsere Erwartungen erfüllt oder war die Woche komplett anders als wir sie uns vorgestellt haben? Was war unser „Aha“-Moment und womit wollen wir uns auch in der Zukunft noch weiter beschäftigen?

Nachdem all diese Fragen und noch mehr beantwortet wurden, war der traurigste Teil gekommen: die Verabschiedung.

Somit war unsere tolle und informative Woche in Brüssel auch wieder zu Ende, in der wir viel gelernt und die Chance hatten, mit vielen interessanten Menschen zu diskutieren und neue Freundschaften zu bilden!

Text: Sophie Schwab